DSC02402Mit einer grandiosen Leistung bei der Rally Sweden erfüllt sich Claire Schönborn einen Traum. Dem Erfolg ging eine hektische Zeit, gepaart mit harter Arbeit und gründlicher Vorbereitung voraus. Mit dem Statement „in den vergangenen Monaten ist so viel so schnell passiert, dass ich einige Zeit brauchen werde, um alles zu verarbeiten. Vor einem halben Jahr bin ich meine allererste Rallye gefahren, und jetzt starte ich in der Weltmeisterschaft. Hätte mir das jemand im letzten Sommer prophezeit, hätte ich ihn für verrückt erklärt” trifft die 25-jährige System-Ingenieurin aus dem Hunsrück voll ins Schwarze. Ganz schnell im Zeitraffer zusammengefasst: Von April bis Anfang Oktober zehn Rennen zum KW Berg-Cup, im August erster Rallye Gaststart im ADAC Opel Electric Rally Cup, parallel dazu Bewerbung zum Beyond Rally Women’s Driver Development Program. Dass vom Rally-WM-Promoter ausgeschrieben ist und zum Ziel hat, eine junge Fahrerin voll finanziert in die Junior-Rally-WM (JWRC) 2025 zu bringen. Claire schafft es unter die besten 15, darf zur dreitägigen Sichtung zu M-Sport nach Polen. Muss dort neben Fitness den korrekten Umgang mit Medien sowie Technik- und Aufschrieb-Kenntnissen auch beweisen, dass sie den ihr vorher unbekannten Ford Fiesta Rally3 schnell und sicher auf Asphalt und Schotter bewegen kann. Ein Allrad-Auto also, das völlig anders ist als ihr Bergrenner VW Golf 1 STW. 1,5-Liter Dreizylinder Turbomotor, 235 PS und 415 Newtonmeter müssen 1210 Kilogramm bewegen. Alle Aufgaben meistert Claire Schönborn so gut, dass sie zusammen mit der Finnin Suvi Jyrkiäinen und der Belgierin Lyssia Baudet für die Central European Rally (CER) nominiert wird. Damit betritt sie WM-Niveau. Dort soll das JWRC-Cockpit endgültig vergeben werden. Noch vor diesem Showdown kann Claire ein Paket zur Teilnahme an der österreichischen Herbstrallye Dobersberg stricken. Bei der CER präsentiert sie sich stark, kann Vorteile für sich verbuchen. Aber im Windschatten folgt ihr Lyssia Baudet so dichtauf, dass die Jury ein Stechen zwischen ihr und Claire anberaumt. Das wird auf die Rally Sweden 2025 terminiert.

Womit wir fast wieder am Anfang der Geschichte sind. Auf jeden Fall befinden wir uns wieder im Neuland. Denn in Nordschweden geht es um 18 Bestzeitprüfungen (WP) über insgesamt 300,22 Kilometer auf Eis und Schnee, die es mit ganz speziellen Spikereifen zu absolvieren gilt, zu einem guten Teil auch nachts. Claire bereitet sich akribisch vor. Bei einem Winter-Fahrtraining in Finnland ist der zweimalige Rallye-Weltmeister Marcus Grönholm einer ihrer Instruktoren. Ende Januar kann sie bei der Arctic Lapland Rallye einen Toyota Yaris GR als Vorausfahrzeug steuern. Das nutzt sie mit ihrer gleichaltrigen Göttinger Copilotin Jara Hain zum Feilen am Aufschrieb. Danach lädt der WRC-Promoter zu drei Testtagen in der John Haugland Winter Rally School in Norwegen ein. Dort dürfen Claire und Lyssia sich im Spike-besohlten Ford Fiesta Rally3 austoben. “Diese Vorbereitung war extrem wertvoll. Ich war ja zuvor noch nie mit Spikes gefahren. Mich ans Limit herantasten zu können und zu verstehen, wie hoch der Griplevel auch auf Schnee und Eis ist, war eine Grundvoraussetzung, um hier in Schweden bestehen zu können” berichtet Claire.

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Die Rallye selbst beginnt am Donnerstagabend mit einem 5,16 km Sprint, der in einem Stadion endet. Im Schönborn Fiesta streikt die Gegensprechanlage. Das bremst. Lyssia ist 3,7 Sekunden schneller. Die drei Prüfungen am Freitagvormittag gehen trotz eines Highspeed-Drehers an Claire. Sie liegt 1:13,6 Minuten vor Lyssia. Aber der Dreher mahnt zur Vorsicht. Auf den WPs 5 und 6 vergrößert Claire ihren Vorsprung auf Lyssia um weitere 3,5 Sekunden. WP 7 läuft im Dunklen. Für Claire hellt sich das nur durch die Serienscheinwerfer auf, der Zusatz-Lampenbaum hat keine Lust mitzuspielen. Das kostet 1,8 Sekunden. Dicker kommt es auf Prüfung 8, der Wiederholung des Sprints vom Donnerstagabend. Es ist kalt und glatt. An einem Abzweig funktioniert es mit dem Vortages-Bremspunkt nicht mehr. Das bedeutet Notausgang und Zurücksetzen. Mit 17,3 Sekunden im Vergleich zu Lyssia Baudet hält sich der Zeitverlust in Grenzen, Claires Vorsprung beträgt immer noch eine knappe Minute.

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Am Samstag und Sonntag finden Claire und Jara sofort einen perfekten Rhythmus, fühlen sich im Auto pudelwohl, sind kontrolliert mit hohem Speed auf den noch vor ihnen liegenden zehn WPs über 164,36 anspruchsvolle Kilometer unterwegs. Sie sind permanent, Prüfung für Prüfung, schneller als die belgische Mitbewerberin um den geförderten JWRC-Platz. Die Abstände liegen je WP zwischen 4,1 und 34,1 Sekunden oder umgerechnet bei 0,72 Sekunden je Bestzeit-Kilometer. Das gilt im Rallye-Gewerbe als deutlich. In der Schlussabrechnung liegen Claire Schönborn und Jara Hain 2:56,3 Minuten vor Lyssia Baudet und Lea Sam Caw Freve. Damit sind die Würfel für die restlichen vier JWRC-Läufe der Saison 2025 eindeutig gefallen.

Klar, dass Claire und Jara auf der Zielrampe um die Wette strahlen. Ein Teil ihres Erfolgsrezeptes war es auch, sich nicht vom Kern der Sache ablenken zu lassen.  “Jara und ich haben uns bemüht, den Druck so weit als möglich auszublenden und uns auf unseren Job zu konzentrieren” erzählt Claire. „Den Fokus über die gesamte Veranstaltungswoche zu behalten, war nicht einfach. Für mich war diese Winterrallye mit ihren ultraschnellen Prüfungen auf mitunter extrem rutschigem Terrain, und das teilweise im Dunkeln, wohl die schwierigste im ganzen JWRC-Kalender. Praktisch an jeder Ecke lauerte die Gefahr, einen gravierenden Fehler zu begehen. Ich spüre, dass ich mein Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft habe. Aber es ist uns dennoch gelungen, einen guten Rhythmus und eine konstante Pace zu finden, ohne unnötige Risiken einzugehen. Das war der Schlüssel zu diesem Erfolg.”

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Bis zum zweiten JWRC-Lauf in Portugal im Mai hat Claire nun Zeit, alles sacken zu lassen und sich auf die anstehenden großen Aufgaben vorzubereiten. “Ich kann mich nur bei allen Menschen bedanken, die mich auf dieser unglaublichen Reise unterstützen – allen voran Jara, die mir mit ihrer enormen Erfahrung und Professionalität die nötige Ruhe und Sicherheit gegeben hat. Und natürlich danke ich allen Beteiligten beim WRC-Promoter und bei M-Sport sowie unserem Hauptsponsor Capital Box und unseren anderen Partnern, ohne die das alles nicht möglich wäre. Ich lebe meinen Traum, und das ist ein unbeschreibliches Privileg. Ich freue mich auf alles, was noch kommt.”

Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Außer Claire und Jara ganz herzlich zu ihrer herausragenden Leistung in Schweden zu gratulieren, die Claire auf Platz 7 in der JWRC gebracht hat. Ihre Vorfreude auf alles Kommende teilen wir uneingeschränkt und drücken ganz fest die Daumen dazu.

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Termine Junior World Rally Championship 2025

13.-16.02.  Rally Sweden/S
15.-18.05.  Vodafone Rally de Portugal/P
26.-29.06.  EKO Akropolis Rally Greece/GR
31.-03.08.  Secto Rally Finland/FIN
16.-19.10.  Central European Rally/D

Marcus Lacroix /Uli Kohl, 17.02.2025

Fotos: Lothar Bökamp, M-Sport, WRC





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